Die drei Ligen der Schönheit

Anders als beim Fußball, bei dem nur Resultate zählen und wo jeder den abgedroschenen Satz zitiert: "Es werden keine Schönheitspreise vergeben!", zählen im Leben einer Frau andere Gesetze. Sie braucht überhaupt keine Resultate zu erzielen und kann dennoch sämtliche Schönheitspreise gewinnen!

Da gibt es zunächst einmal die Champion's League, Prädikat: "bildschön". Hier findet man Frauen wie Eve- Marie Saint, Grace Kelly oder die Käseverkäuferin in meinem "Reichelt". Die Schönheit dieser Gesichter besteht aus ihrer absoluten Makellosigkeit, aus ihrer Perfektion. Vor solchen Frauen möchte man niederknien und sie den ganzen Tag lang nur anbeten. Bei meiner Käseverkäuferin wage ich das allerdings nicht! Vielmehr gehe ich ihr aus dem Weg und betrachte sie höchstens scheu aus dem Augenwinkel. Ein ums andere Mal frage ich mich: Was hat ein solches Geschöpf bei "Reichelt" verloren?

Als Lebenspartnerinnen kämen Frauen dieser Kategorie selbst dann nicht in Frage, wenn ich weder Bauch noch Glatzenansatz hätte und aussähe wie Cary Grant und Gregory Peck zusammen, denn sie wirken in all ihrer Makellosigkeit so unwirklich wie Marsmenschen. Ebensogut könnte ich wohl mit einer antiken Statue zusammenleben. (Ach, da fällt mir ein: Ich bin ja bereits verheiratet!) Außerdem wären alle anderen Männer, die dummerweise ja viel schöner und reicher sind als ich, darauf scharf, sich ein solches Statussymbol zuzulegen, und würden mit Luxuskarossen und dicken Brieftaschen winken.

Vielleicht liegt gerade hier die persönliche Tragik von Frauen dieser Kategorie. Sie können ihre eigene Schönheit seelisch wahrscheinlich nur dann verkraften, wenn ihnen ein gnädiges Schicksal eine gehörige Portion Dummheit schenkt. Für einen intelligenten Menschen hingegen muß es furchtbar sein, zur "Champion's League der Schönheit" zu gehören!

Anders ist es schon in der Ersten Bundesliga, Prädikat: "schön". Hier geht es etwas menschlicher zu, denn hier kommt ein Geheimnis ins Spiel, das man als "Ausstrahlung" bezeichnet. "Ausstrahlung" überspielt winzige, unmerkliche Makel.

Das Sprichwort sagt: "Einen schönen Menschen entstellt nichts!" Und das gilt auch hier, in der Ersten Bundesliga. Im Unterschied zum Fußball gibt es hier nämlich keine Absteiger. Es kann gar keine Absteiger geben, denn eine schöne Frau bleibt auch schön, wenn sie altert, eine Brille trägt oder sich eine Glatze schneidet.

Ferner kommt in der Ersten Bundesliga etwas zum Tragen, was in der Champion's League unvorstellbar wäre, nämlich die Erotik. Schönen Frauen will man nicht den ganzen Tag lang ins Gesicht schauen; irgendwann interessiert es einen gestandenen Chauvi auch, wie's darunter aussieht!

Als Beispiel für diese Kategorie könnte ich Cathérine Deneuve anführen. Man soll sich also keiner Selbsttäuschung hingeben: Natürlich sind Frauen dieser Kategorie für unsereinen normalerweise unerreichbar. Nur ganz selten und dann auch nur für ganz kurze Zeit schafft man's aber doch. An diese glückseligen Tage erinnert man sich bis ins hohe Alter...

Meine eigentliche Lieblingsliga ist merkwürdigerweise die Zweite Bundesliga, Prädikate: "attraktiv", "hübsch". Achtung: Immer noch eine sehr hohe Spielklasse, aber doch wesentlich erdverbundener. Hier spielen nicht nur die "Ausstrahlung", sondern auch Gerüche, Jugend und Sex eine Rolle. Hierher gehören Frauen, die "eigentlich häßlich" wären, es durch einen geheimnisvollen Zauber aber nicht sind, Frauen, die "fickig" aussehen, und Frauen, die man einfach liebgewinnt, weil sie so wundervoll sind. Diese Liga ist für mich die faszinierendste, denn sie bietet die größte Vielfalt von "Ausstrahlung". Gerade das Fehlen von Makellosigkeit macht sie für den ambitionierten Chauvi zu einem unerschöpflichen Forschungsgebiet, dem er mit Leib und Seele treu bleibt. Sein Leben lang wird er vergeblich das große Welträtsel zu lösen versuchen: Woher schöpfen Frauen, die nicht wirklich "schön" sind, ihren unwiderstehlichen Magnetismus, der schon so manchen männlichen Verstand (falls es so etwas überhaupt geben sollte) gekostet hat?

Die derzeit prominenteste Vertreterin der Zweiten Liga war Lady Di, die es trotz einer - und ich schreibe das nur sehr widerwillig! - nach "idealen" Gesichtspunkten zu großen Nase und eines zu schmalen Mundes verstand, schön und begehrenswert auszusehen. Dummer Charles, glücklicher Dodi!

Die ganz große, aber irgendwie menschliche und sympathische Tragik dieser Kategorie ist, daß ein Abstieg in die untere Spielklasse leider prinzipiell nicht auszuschließen und oftmals altersbedingt ist, während man Frauen aus der Champion's League und der Ersten Bundesliga ihre Schönheit ihr Leben lang ansieht.

Über die Amateur- Oberliga, der ich selbst angehöre, breite ich als Kavalier der alten Schule den Mantel des Schweigens.


Aus der © CHAT NOIR Mailbox: www.chatnoir.de und online unter diesen Rufnummern
Erste Veröffentlichung: 29.12.1997 von Holger
[Kommentar zu diesem Text in Forum "Literarisches Café" schreiben]
[Forum "Literarisches Café" lesen]
 
[Forum junger Autoren] [Home]