Die Seele des Cursors
Die Entstehungsgeschichte von COSY (Cursor Operation System)
Angefangen hatte alles im Frühjahr 1985 mit dem stilvollen Hinscheiden einer
Großrechenanlage: CURSOR LOST
waren ihre letzten Worte gewesen, bevor sie in
den hexadezimalen Hades hinabgefahren war.
Diese schlichten Abschiedsworte inspirierten einen Kreis junger Menschen: Sie
hatten sich zu einem "Autonomen Sink Tank" (AST) zusammengeschlossen.
Man war lange schon mit der phantasielosen Funktion und dem Erscheinungsbild
des landläufigen Cursor Vulgaris unzufrieden gewesen: Ein langweiliger Lichtfleck,
der, wenn er nicht gerade blöde blinkte, nichts weiter als trostlos anzusehen
war. Nun gab es einen Innovationsschub: Das Projekt VIC, der "Virulent
Intensiv Cursor", wurde geboren.
Noch in derselben Woche begann der AST mit der Konzeption eines umfangreichen
und multifunktionalen "Cursor Operating System" (COSY). Optional
anwenderfreundlich, war es als "Gänzlich Userlos Arbeitende Schaltein-
heit" (GULASCH) angelegt. Online sollte es sich als "Wundersam Aktives
Untergrundprogramm" (WAU) rege verbreiten. Pionierstimmung kam auf im
AST-Labor.
Fuer die Konstruktion mußte geeignetes Software-Werkzeug her: "Cursor Art
Design" (CAD), "Cursor Action Modificator" (CAM) und "Funny
Unusual Cursor Kit" (FUCK) wurden in nächte- und wochenlanger Arbeit entwickelt.
Dazu bediente der AST sich eines eigens für diesen Zweck spezifizierten Codes,
des "Cursor Oriented Language Assembler" (COLA) mit eingedickter Fließkomma-Konsistenz
und einer an Andy Warhol orientierten Grafik-Befehlsliste.
Ende März, in der zunehmenden Frühsommerwärme, wurde der erste Satz
CURSOR ERRORS
erstellt und plaziert. Fortan konnten, über das
CURSOR LOST
hinaus, angezeigt werden:
COSY Cursor Fehlermeldungen
CURSOR RESTS ERROR
(bei gewerkschaftlich organisierten Cursor) zuzüglich
eines ausführlichen Hinweises auf die kollektivvertraulich vereinbarten Ruhezeiten.
CURSOR HAPPY ERROR
verbunden mit einem unkontrollierbar und kautschukhaft
über den Bildschirm hüpfenden Cursor. Meist Vorzeichen fuer das baldige Erscheinen
eines weiblichen Cursor (HERSOR).
CURSOR HYSTERIC ERROR
verbunden mit einem unregelmäßig und hochfrequent
pulsierenden Cursor und Quietschgeräuschen. Meist Vorzeichen fuer das baldige
Verschwinden eines weiblichen Cursor.
CURSOR OUT OF GAS
(nur bei benzin- und dieselgetriebenem Cursor) sollte kein
Tank-File vorhanden sein, kann man das Zeichen ">" vor den Cursor
setzen und ihn damit anschieben.
CURSOR OUT OF SENSE
Ein heikles Problem! Der Cursor ist in eine Sinnkrise
verfallen und hockt dumpf brütend in Spalte 0 einer beliebigen Zeile am Bildschirmrand.
CURSOR COLLAPS(N)
wobei (N) eine Countdown-Variable ist, die den geschätzten
Zeitpunkt bis zur Disfunktion des Cursors in Sekunden anzeigt.
Inzwischen hatte auch die Erweiterung der Grafikroutinen große Fortschritte gemacht.
Je nach Art des Anwenderprogramms und des User-Input-Verhaltens vermochte der Cursor
nun selbständig in Modifikationen zu verzweigen (von denen einige zur Dominanz
über das gesamte aktuelle Programm führen). Endlich konnte der Cursor
zeigen, was in ihm steckt. Die AST-Grafikspezialisten hatten 6 zentrale Routinen
erarbeitet, die am 7. Juni zusammen mit den neuen Fehlermeldungen als Version
COSY 0.1 den ersten erfolgreichen Probelauf absolvierten. Zur Feier des Tages
genehmigte man sich eine Flasche Frustschutzmittel und rauchte dafür etwas
weniger.
COSY Cursor Grafik Routinen
CURD
(Cursor Demoliert)
COSY besitzt ein internes Zählregister, welches festhält,
wann ein User den Cursor allzu ruppig gegen den Bilschirmrand knallt. Sind mehr
als sieben Verstöße registriert, wird ein zunehmend zerbeulter Cursor abgebildet,
verbunden mit einem Hinweis auf seinen abnehmenden Wiederverkaufswert. Vor dem
14. Verstoss wird eine Liste von Gebrauchtcursor-Shops ausgegeben und vor einem
bevorstehenden CURSOR COLLAPS
gewarnt.
CUFF
(Cursor Diffundiert)
Wird der Cursor zu sehr abgehetzt (Schnellsuchläufe,
DFÜ über 1200 Baud u.ä.), löst er sich in ein unscharfes Feld auf und verdunstet
schließlich. CUFF gehört zu den Funktionen, die gegebenenfalls auch aus
dem COSY- eigenen Zufallsgenerator (COZ) aufgerufen werden. Zur Rückgewinnung
des diffundierten Cursors muß das ebenfalls vom AST entwickelte Steckmodul
CURARE (Cursor Artifical Recreator) verwendet werden. Man erhält damit einen
einwandfreien, nagelneuen Cursor, muß allerdingst in Kauf nehmen, dass dafür
das jeweilige Anwenderprogramm diffundiert.
EXCURS
(Expandierender Cursor)
Eine Funktion, die dem Timeout bei der Datenfernübertragung
ähnelt. Erfolgt innerhalb von 60 Sekunden im aktuellen Programm keine halbwegs
vernünftige Eingabe, beginnt der Cursor sich im Pulstakt aufzublähen. Ist
der Computer, ergänzend zu COSY, mit einem FLAUSCHWERK ausgestattet, hilft
der Befehl REBLAEH
. Hat der Cursor das ganze Bildschirmformat ausgefüllt, kann
nur noch CURARE benutzt werden.
WRISC
(Wrigley's Spearmint Cursor)
Eine Spezialroutine für die Textverarbeitung:
Wenn der erste Buchstabe eines eingegebenen Textes sich in dem Text zum 33.
Mal wiederholt, bleibt der Cursor daran kleben. Er läßt sich weiterhin frei
bewegen, zieht aber, ausgehend von der Position des Buchstaben, inverse Streifen
hinter sich her. Läßt man die Cursortasten los, schnellt das Cursorband wieder
auf die Buchstabenmarke zurück.
PACUR
(Pacman Cursor)
Eine Spezialroutine für das freie Programmieren.
Sind dem Programmierer gerade einige besonders geschickte Algorithmen eingefallen,
kann COSY via COZ von Fall zu Fall PACUR aktivieren. Eingeleitet wird die Funktion
durch die Meldung SYNTAX TERROR
. Anschließend werden mit einer Geschwindigkeit
von einer Zeile pro Sekunde die letzten 200 Programmzeilen wieder weggefressen.
Ist die Hardware mit einem Tongenerator ausgestattet, erkennt man den Abschluß
eine PACUR-Aktion an einem leisen Rülpsen.
SCHWANC
(Sterbender Cursor)
Im Anschluss an CURSOR COLLAPS(0) wird SCHWANC
aufgerufen, die dramatische Darstellung eines sterbenden Cursors. Das Abflachen
der Blinkfrequenz bis zum agonischen Stillstand des Cursors, gefolgt von einem
letzten Aufbaeumen in Karo-Position und einer Pirouette. Anschliessend klappt
der Cursor nach unten und baumelt an der imaginaeren Zeilenlinie, verliert schliesslich
mit der einen, dann auch mit der anderen Ecke den Halt und trudelt entseelt
und wie ein herbstlich leichtes Birkenblatt nach dem unteren Bildschirmrand.
Aus der ChatNoir Mailbox: www.chatnoir.de und online unter diesen Rufnummern
Autor: Unbekannt - sachdienliche Hinweise erbeten!
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